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Cover Lettre International 69, Breyten Breytenbach
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LI 69, Sommer 2005

Star Wars III

Über taoistische Ethik und den Geist des virtuellen Kapitalismus

In der dritten Folge der Krieg-der-Sterne-Serie kommt es endlich zum entscheidenden Augenblick der ganzen Saga, zur Rückverwandlung des „guten“ Anakin in den „bösen“ Darth Vader. Hierbei setzt Star Wars auf die explizite Parallele zwischen der individuellen und der politischen Ebene. Auf der individuellen Ebene spielt die „Erklärung“ auf eine Popform des Buddhismus an: „Er verwandelt sich in Darth Vader, weil er den Dingen verfällt. Er kann sich nicht von seiner Mutter lösen; er kann sich nicht von seiner Freundin lösen. Er kann sich nicht von den Dingen lösen. Das macht gierig. Und wenn man gierig ist, dann ist man auf dem Weg auf die dunkle Seite, weil man etwas zu verlieren fürchtet.“ Lassen wir die Vorstellung von Mutter und Freundin als „Dingen“ auf sich beruhen – interessanter ist der Aspekt, daß der Jedi-Orden als geschlossene männliche Gemeinschaft betrachtet wird, die ihren Mitgliedern romantische Bindungen untersagt – eine neue Version der Gralsrunde aus Wagners Parsifal.

Bezeichnender noch ist die politische Parallele: „Wie wurde die Republik zum Imperium? Dies wird als Parallele behandelt zu der Frage: Wie wurde Anakin zu Darth Vader? Wie wird ein guter Mensch zu einem bösen, und wie wird aus einer Demokratie eine Diktatur? Es ist nicht so, daß das Imperium die Republik erobert hätte, sondern das Imperium ist die Republik.“ (Lucas)

Das Imperium ist also aus der inneren Korruptheit der Republik erwachsen: „Eines Tages wachten Prinzessin Leia und ihre Freunde auf und sagten: ‘Dies ist nicht mehr die Republik, sondern das Imperium. Wir sind die Bösen.’“ (Lucas) Die aktuellen Konnotationen dieser Bezugnahme auf das antike Rom sind nicht zu übersehen: der Wandel von Nationalstaaten zum globalen Imperium. Man sollte die Star-Wars-Problematik (von der Republik zum Imperium) vor dem Hintergrund von Antonio Negris und Michael Hardts Buch Empire lesen: vom Nationalstaat zum globalen Empire.

Was, wenn in politischer Hinsicht Zhang Yimous Film Der Held, die Antwort der Volksrepublik China auf Hollywood, die wahre Alternative zu Krieg der Sterne wäre? Ein namenloser Krieger (Jet Li) ist in eine komplizierte Verschwörung verwikkelt, die zum Ziel hat, den König von Qin zu töten; dessen Obsession war es, durch Einigung der sieben miteinander im Krieg liegenden Staaten Chinas der erste Kaiser des Reiches zu werden. Bei der Durchführung dieser Verschwörung wird dem Namenlosen allerdings klar, daß der Kaiser zwar ein rücksichtsloser Despot ist, aber einen großartigen patriotischen Traum von einem geeinten China verfolgt, so daß er beschließt, um der Einheit von ganz China „unter einem Himmel“ willen die Verschwörung zu sabotieren, auch wenn er dafür sich selbst und seine engsten Freunde opfern muß. Ist die Star-Wars-Saga in dieser Weise umgeschrieben vorstellbar – dergestalt, daß der Imperator zum großen galaktischen Einiger wird und Anakin seine Freunde für den globalen Frieden und für Einheit „unter einem Himmel“ opfert?

Die politischen Konnotationen des Star-Wars-Universums sind vielfältig und widersprüchlich, und eben darauf beruht die „mythische“ Macht dieses Universums: die freie Welt versus das Reich des Bösen; der Rückzug der Nationalstaaten mit seiner an Buchanan und Le Pen erinnernden rechtsextremen Konnotation; der symptomatische Widerspruch, daß Menschen von adeligem Rang (die Prinzessin, Mitglieder des elitären Jedi-Ordens) die „demokratische“ Republik gegen das Reich des Bösen verteidigen; schließlich die richtige und entscheidende Einsicht, daß „wir die Bösen sind“ (daß das Reich des Bösen nicht da draußen ist, sondern daß es gerade durch die Art und Weise entsteht, wie wir, die „Guten“, das Reich des Bösen, den auswärtigen Feind bekämpfen – beim heutigen „Krieg gegen den Terror“ stehen wir vor der Frage, was dieser Krieg aus den Vereinigten Staaten machen wird). Das heißt, ein veritabler politischer Mythos ist nicht so sehr eine Erzählung mit einer bestimmten politischen Bedeutung, sondern ein leeres Behältnis für eine Vielheit inkonsistenter, sich wechselseitig sogar ausschließender Bedeutungen – es ist verkehrt zu fragen: „Aber was bedeutet dieser politische Mythos in Wirklichkeit?“, weil seine „Bedeutung“ gerade darin liegt, uns als Behältnis für eine Vielheit von Bedeutungen zu dienen.

Schon Krieg der Sterne I: Die dunkle Bedrohung gibt zwei entscheidende Hinweise, mit deren Hilfe wir uns in dieser Gemengelage orientieren können: erstens die „christologischen“ Züge des jungen Anakin (seine Mutter behauptet, ihn unbefleckt empfangen zu haben; das Rennen, das er gewinnt, ist eine deutliche Reminiszenz an das berühmte Wagenrennen in Ben Hur, diese „Erzählung von Christus“); zweitens die Tatsache, daß er als der identifiziert wird, der das Potential hat, „das Machtgleichgewicht wiederherzustellen“. Da das ideologische Universum von Star Wars das heidnische New-Age-Universum ist, ist es nur konsequent, daß die zentrale Figur des Bösen darin an Christus erinnert – innerhalb des heidnischen Horizonts ist das Ereignis Christi der ultimative Skandal. Die Figuren des Teufels und des Judas haben die Funktion, diese „Erlösung“ möglich zu machen, herbeizuführen. Aber es ist nicht die der jüdisch-christlichen Tradition eigentümliche Figur des Teufels allein; insofern, als diabolos (von diaballein: trennen, das Eine in zwei auseinanderziehen) das Gegenteil von symbolos (zu symballein: sammeln und vereinen) ist, ist Christus selbst die ultimative diabolische Gestalt, da er „das Schwert, nicht den Frieden“ bringt und die bestehende harmonische Einheit in Unordnung bringt: „So jemand zu mir kompt vnd hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kind, Brüder, Schwester[n], auch dazu sein eigen Leben, der kan nicht mein Jünger sein“ (Lukas 14, 26). Christus selbst ist also die „diabolische“ stiftende Geste des Heiligen Geistes als der im eigentlichen Sinne „symbolischen“ Gemeinschaft, der Versammlung der Gläubigen.

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